Rede OStFw Hecht zur Feierstunde Tapferkeit

Allgemein

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Sehr geehrter Herr General Mais, geschätzter Professor Dr. Neitzel, liebe Kameradinnen und Kameraden, meine Damen und Herren.

Am 04. Juni 2009 behebt Hauptgefreiter Pierre T. im Feindfeuer stehend eine Störung am Maschinengewehr seines Fahrzeuges.

Während er daran arbeitet, schlagen Geschosse in die Waffe und den Munitionskasten ein.

Die Situation ist chaotisch. Schweiß läuft ihm in die Augen. Ohrenbetäubender Lärm. Schreie. Er arbeitet mit der nötigen Ruhe und sicheren, professionellen Handgriffen.

Er macht sein Waffensystem wieder feuerbereit, um seine Kameraden weiter im Kampf zu unterstützen. Kein Zaudern! Pierre T. ist gerade 20 Jahre alt.

Am gleichen Tag, irgendwo im etwa 5000 km entfernten Berlin, beschmieren Unbekannte ein Karrierecenter der
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Bundeswehr mit, aus ihrer Sicht,
systemkritischen Parolen.

Am Rande der Ortschaft Basoz in Kunduz springt Oberstabsgefreiter Christian D., 25 Jahre alt, vom Fahrersitz seines Dingos.

Er greift zu seiner Waffe und kämpft Aufständische nieder, die dabei sind seinen Gruppenführer unbemerkt zu umgehen.

Sie wollen ihm in den Rücken fallen und töten. Christian verhindert dies.

Später an diesem, im wahrsten Sinne des Wortes, heißen Tag, wenige Kilometer entfernt, lenkt Stabsgefreiter Frank M. sein Fahrzeug durch die Todeszone eines Hinterhaltes.
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Aufgrund der Staubentwicklung hat er nahezu keine Sicht nach vorne. Panzerabwehrraketen – RPG´s – verfehlen sein Gefechtsfahrzeug nur um Zentimeter.

Gewehrgeschosse hämmern an die Panzerung des Transportpanzers. Letztlich wird das Fahrzeug von einer Panzerfaust getroffen.

Frank M. erfüllt seinen Auftrag selbstverständlich, professionell und er hält dabei das Leben der Männer an Bord und das Leben der Besatzungen der folgenden Fahrzeuge in seinen Händen. Frank ist 23 Jahre alt.

In seiner Heimat in Hessen treffen sich am frühen Abend des gleichen Tages ein paar junge Männer und Frauen.

In einer Bar trinken sie bei guter Musik ein paar Bier und haben Spaß. Sie sind etwa im Alter von Pierre, Christian und Frank.
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Daniel Seibert wird an diesem Morgen zum Hauptfeldwebel befördert. Kurz darauf verlässt er mit seinem Zug das Feldlager Kunduz.

Ein paar Stunden später kämpft er auf nächste Entfernung gegen frenetisch angreifende Aufständische.

Diese wollen einen sich tapfer verteidigenden deutschen Spähtrupp vernichten. Daniel schont sich dabei nicht.

In einer Duellsituation setzt er sich dem Feindfeuer aus. Aus seiner Sicht tut er was getan werden muss. Er hat an diesem Tag Leben genommen und er hat Leben gerettet.

In meiner Heimat, in Thüringen kommt meine Tochter Lilli an diesem Nachmittag aus dem Kindergarten.

Sie geht fröhlich zu ihren Großeltern und schläft nach einem unbeschwerten Abend friedlich in ihrem Bett.
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Tief in der Nacht können die Soldaten in Kunduz ebenfalls etwas Schlaf finden.

Nachdem das Adrenalin den Körper verlassen hat macht sich Erschöpfung breit. Ein tiefer kurzer Schlaf gibt etwas Kraft zurück.

Kraft die sie brauchen um am nächsten Tag, der Hitze, dem Staub, der Gefahr wieder zu begegnen. Sie setzen ihren Auftrag fort.

Nun scheinen all diese Geschichten und Ereignisse nichts miteinander zu tun zu haben – aber tatsächlich ist da eine Verbindung, die wir nie vergessen dürfen.

Die Kameraden, die an diesem Sommertag, tapfer gekämpft haben, hatten sich einst dazu entschieden unserem Land in einer besonderen Weise zu dienen – sie taten dies aus Überzeugung.
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Sie haben einen Beruf ergriffen – den ich auch nach über 30 Jahren als einen der schönsten Berufe bezeichne – einen Beruf der wahrlich auch Berufung ist.

Und dort, in der Hitze und dem Staub Afghanistans erwarten sie keinen Dank für ihre Taten und sie empfinden auch keinen Neid gegenüber den Daheimgebliebenen.

Sie kämpfen für den Erfolg und das Überleben ihrer Kameraden und somit auch für die Erfüllung des Auftrages.

Nun ist Afghanistan weit weg und das unbeschwerte Leben in der Heimat wurde nicht unmittelbar am Hindukusch verteidigt.

Das hat sich mittlerweile, nach der Aggression Russlands auf dramatische Weise geändert.
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Unsere Fähigkeit tapfer zu kämpfen wird in der Zukunft wieder stärker darüber entscheiden wie unbeschwert wir in Deutschland leben können.

Wir reden in diesem Zusammenhang viel über Kriegstüchtigkeit – und ja, da sind weitere, wichtige Schritte zu gehen.

Ich schaue hier aber nicht auf Strukturen und Ausrüstung – das ist nicht mein Geschäft – ich schaue auf die Menschen die ihren Dienst in der Bundeswehr verrichten.

Ich hatte in den letzten Jahren die Ehre die Bundeswehr im Ausland zu repräsentieren.

Während meiner Verwendung in den USA konnte ich erleben mit welcher ehrlichen Bewunderung und
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Wertschätzung andere Nationen auf deutsche Soldaten
blicken.

Ich habe aus erster Hand erfahren wie leistungsstark unsere Soldatinnen und Soldaten im internationalen Vergleich sind.

Daher wünsche ich mir, dass wir alle dies etwas besser erkennen und anerkennen.

Ich wünsche mir, dass wir das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein entwickeln, welches man als gut trainierter Soldat zu Recht haben darf und welches man zwingend braucht, um ein erfolgreicher Kämpfer zu sein.

Dieses Selbstbewusstsein schafft auch Vertrauen.

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und, in der weiteren Folge, das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Soldaten.
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Zur Kriegstüchtigkeit gehört nämlich auch, dass wir den Schulterschluss zwischen Soldaten und Gesellschaft noch enger herstellen.

Jetzt habe ich etwa, 7 Minuten gar nicht über die Auszeichnung geredet, die der Anlass für diese Veranstaltung ist.

Ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden denn ich denke und ich weiß, dass keiner der Ehrenkreuzträger die Auszeichnung als seinen eigenen Verdienst anerkennt.

Wir sehen uns vielmehr als Stellvertreter der Kameradinnen und Kameraden, die an unserer Seite kämpften, die körperlich oder seelisch verwundet wurden und derer die nicht nach Hause zurückgekehrt sind.
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Wir verstehen uns als Stellvertreter und Repräsentanten aller deutscher Soldatinnen und Soldaten, die ihren Auftrag an ihrem Platz professionell und wenn erforderlich, auch tapfer erfüllen.

Die Bedeutung des Ehrenkreuzes für Tapferkeit erstreckt sich somit nicht nur auf den einzelnen Empfänger, sondern auch auf die Gemeinschaft und die Gesellschaft als Ganzes.

Durch die Hervorhebung von Taten der Tapferkeit und des Mutes dient die Auszeichnung als Erinnerung an die Werte, die uns am Herzen liegen – Mut, tapferer und couragierter Einsatz für das Allgemeinwohl.

Sie kann dazu beitragen, eine Kultur der Ehre und des Respekts für diejenigen zu fördern, die sich für das Wohl anderer in Gefahr begeben.
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Nur dann, wenn das Ehrenkreuz für Tapferkeit dazu dienen kann, die herausragenden Taten aller Soldaten der Bundeswehr in den Vordergrund zu stellen – nur dann ist es eine gute und wichtige Ehrung.

Hier müssen weitere Schritte gegangen werden und wir sind bereit dazu unseren Beitrag zu leisten.

Ich weiß, dass die Nachfolger von Pierre T, Christian D., Frank M. und Daniel Seibert gut trainiert sind und ihren Auftrag zuverlässig erfüllen – Heute und auch in der Zukunft.

Jetzige und folgende Generationen von Bundeswehrsoldaten werden dafür Sorge tragen, dass Jugendliche Parolen an Wände schmieren können, dass junge Menschen unbeschwert feiern können und Kinder friedlich in ihren Betten schlafen.
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Ich wünsche mir, dass jeder Deutsche dieses Vertrauen genauso empfindet wie ich das tue.

Dazu müssen wir, die Angehörigen der Bundeswehr, aber auch die Politik noch mehr über die herausragenden Leistungen der Soldatinnen und Soldaten informieren.

Ja, Bescheidenheit ist eine wichtige Tugend und eine Zierde aber zu diesem Zweck bin ich eher bei dem Grundsatz – „tue Gutes und rede darüber“.

Soldatinnen und Soldaten sowie alle, welche unter Einsatz ihrer Gesundheit und in letzter Konsequenz ihres Lebens Deutschland und der Sicherheit seiner Bürger dienen, haben die öffentliche Anerkennung ihres Dienstes verdient, mehr noch, sie haben sich diese Anerkennung erarbeitet!
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Strukturen und Rahmenbedingungen müssen angepasst und geschaffen werden aber auf die Menschen, auf die tapferen und gut trainierten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr können wir auch heute schon stolz sein – wir können auf sie zählen.
• Sehr geehrter Herr General Mais, geschätzter Professor Dr. Neitzel, liebe Kameradinnen und Kameraden, meine Damen und Herren

Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit und die Gelegenheit meine Gedanken zu äußern. Lassen Sie uns, jeder an seiner Stelle, weiter eine erfolgreiche, sichere und vor allem friedliche Zukunft gestalten.